Während des langen Pfingst-Wochenendes durfte ich über den „heiligen Geist“ nachdenken. Und ich durfte mal wieder erfahren, wie gut es für mein ganzes Sein ist, wenn mein Körper tun darf und nicht nur auf die vier Buchstaben reduziert wird, die ich zum Sitzen vor dem Bildschirm benötige. Diese bewusste Abwechslung zwischen Tun und Denken, zwischen Intellekt und Körperlichkeit ist für mich als verkopfte Schreibtischtäterin in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Und wenn es nur darum geht, das Gesäß, auf dem ich gerade sitze und den Rücken, der sich an die Stuhllehne schmiegt, ganz bewusst wahrzunehmen und vielleicht auch mit einem gelegentlichen Atemzug zu entspannen – wieder im Körper anzukommen und den rotglühend laufenden Kopf einen Halt zu bieten.
Es gibt einen sehr lustigen Cartoon von Charles M. Schulz, der in Therapeutenkreisen als „Charlie-Brown-Übung“ bekannt ist. Wir lernen, welche Haltung wir unbedingt einnehmen sollten, wenn wir traurig sein wollen. (Findet Ihr im Internet.) Was sagt uns das?
Körper und Gefühle sind untrennbar verbunden, Emotion und körperliche Reaktion aus einem Guss.
Jedes Gefühl geht mit einer körperlichen Reaktion einher. Im „Groben“ kennen wir es alle, ob uns die Haare zu Berge stehen, wir Schmetterlinge im Bauch haben, uns etwas auf den Magen schlägt, ein Wort im Hals stecken bleibt und so weiter – unsere Sprache ist voll von Bildern, die die Untrennbarkeit ausdrücken. (Übrigens ein wunderbarer Schreibimpuls: Solche Aphorismen oder Metaphern eignen sich ganz hervorragend als Grundidee für eine kleine Geschichte. Wie wäre es mit „Der Tag, als Tante Ilse das Wort im Hals stecken blieb …“)
Unser Körper ist der Zugang zum Bewusstsein – zum bewussten Sein. In der Bewusstwerdung der eigenen Körperlichkeit entwickelt sich eine unmittelbare Aneignung der Welt als Teil unseres Selbst und ein Verständnis unseres Selbst als Teil der Welt. (Das klingt jetzt sehr nach Andreas Weber, ob ich´s mal dort abgeschrieben habe?) Wenn wir beginnen, mit diesem verbundenen Selbst wahrzunehmen, erfahren wir einen unendlichen Reichtum von Erlebnissen – nackte Füße auf Gras im Morgentau, Frühlingswind im sonnenwarmen Haar, eine sanfte Berührung an der Wange, der Schulter, der Hand. Eine feste Umarmung, wirklich gehalten. Der Sprung ins glitzernde Meer, Bahnen ziehen durchs gleichsam feste und weiche Wasser, Salz auf der Haut, langsam in der Sonne trocknend, Sand rieselt zwischen den Fingern. Wellenschlagen. Die körperliche Wahrnehmung schließt alle Sinne ein – das Hören von Vögelzwitschern, Pianoklängen oder Grillenzirpen, das Schmecken selbstgeernteter Erdbeeren, das Riechen von Lavendel oder typischen Kindheitsdüften, die sofort eine Stimmung hervorrufen – in der Körperwahrnehmung liegt die Öffnung aller Sinne und das Innehalten für den Zauber des Moments.
So betrachtet ist dein Körper dein Welt-Empfänger und in Verbindung mit den wunderbaren Werkzeugen des Intellekts werden unsere Körperempfindungen zum Seismograf unseres Lebensgefühls. Und fast nebenher – größtenteils unbewusst – sorgt dein Körper auch noch für den reibungslosen Ablauf all der unzähligen lebenswichtigen Funktionen, die wir nur dann wahrnehmen, wenn sie einmal nicht glatt laufen – Atmung, Organfunktion, Immunsystem, Zellerneuerung, Bewegungsabläufe wie Gehen, Drehen oder Stehen und natürlich das Schlafen und das Wachen. In meinem Buch Federfluss gibt es eine schöne Schreib-Inspiration, die ich Euch gerne schenken möchte. Ich frage dort, was eigentlich mit dir passieren würde, wenn du tagtäglich immer funktionieren sollst und keiner jemals „Danke“ sagt. Das wäre ein blödes Gefühl, oder? Also schreiben wir heute einen Liebesbrief an unseren Körper oder gerne auch an ein bestimmtes Körperteil – die Hand, den Fuß, das rechte Ohr …