Schreiben ist immer auch experimentieren – mit den Worten aber auch mit der eigenen Wahrheit. So könntest du dich fragen: Wer bist du in deiner Geschichte?
Erzählerin? Protagonist? Oder nur Beobachterin? Bist Du Teil der Geschichte oder außen vor?
Und der Leser? Weiß sie mehr als du? Mehr als die Protagonistin, oder weniger?
Die Antworten auf diese Fragen bedingen, welche Erzählperspektive und Erzählform du auswählst. Aus wessen Sicht heraus, mit wessen Sprache, Einblicken und Gedanken wird die Geschichte entwickelt? (Achtung: Es geht nicht um dich als Autor:in, sondern um die Erzählperson: Wer erzählt die Geschichte und aus welcher Perspektive. Es kann übrigens auch in einer Biografie eine Erzählperson geben!)
Dies hier sind die häufigsten Erzählperspektiven:
Auktorial / allwissend / der „Erklärbär“
- Erzählt von außen, ist nicht Teil der Handlung
- Umfassender Überblick über alle Handlungen und Charaktere
- Blickt in Zukunft und Vergangenheit
- Kennt Motivation und Hintergründe der Personen
- Kann (sarkastisch, humorvoll, liebevoll) kommentieren und charakterisieren oder
- Kann neutral bleiben, wie im Nachrichtenstil. (meistens aber nicht)
- In komplexen Geschichten der rote Faden, Fantasy hat oft einen auktorialen Erzähler
- Distanz und wenig Einbindung
- Überfrachtung der Leser möglich – „To much information“
Erste-Person-Erzähler (Ich-Erzählerin)
- Erzähler und Protagonistin sind identisch
- Intimste Begegnung mit dem Protagonisten
- Einzigartiger Charakter der Erzählperson wird auch über Sprache, Erzählweise, Kommentare, Meinungen … deutlich – spannend!
- Auf das Ich beschränkte, daher begrenzte Perspektiven, wie bei dritte-Person-Erzählern auch:
Dritte-Person-Erzähler
- Erzählt „über“ den Protagonisten aber aus dessen individuellen Blickwinkel
- subjektive Sichtweise, figurspezifische Gedanken und Gefühle
- Begrenzter Überblick – erzeugt Spannung
- Begrenzter Überblick – Nebencharaktere bleiben schwach
- Hintergründe sind schwieriger darzustellen
- Sonderform: Dritte-Person-Beobachterin: Reine Berichterstattung ohne Eintauchen in die Sichtweisen der handelnden Figuren oder in den Subtext der Geschichte ohne Einordnung. Hier darf der Leser arbeiten! 😉
Für mich sind diese Perspektiven auf deine Geschichte natürlich mehr als „WISSEN“ über das Erzählen. Sie sind eine Einladung, sich in Bezug zur eigenen Wahrheit zu setzen. Was passiert, wenn ich als „Ich“ schreibe und wie verändert sich das Lebens-Text-Gefühl, wenn ich auf die dritte Person wechsle – fühlt es sich näher an oder weiter weg? Spüre ich mehr von mir, oder weniger?
Ergänzung: Kürzlich habe ich eine Geschichte über „Unzählige Leben“ in der zweiten Person Singular geschrieben – ich spreche mich selbst an, stelle mir Fragen. Das war spannend. Probier es aus.