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Kennt Ihr das Projekt „Starke Frauen“ noch nicht? Dann könnt Ihr Euch hier das Einführungsvideo (5 Minuten) ansehen oder es lesen.

(Hinweis: Wer das Videointerview mit Dunja schon gesehen hat, liest bitte direkt an der Stelle weiter, wo der Text wieder schwarz wird. Die grünen Zeilen sind eine Abschrift des Video-Interviews für alle, die lieber lesen als gucken. :-))

Andrea: Ich bin heute mit Dunja Burghardt verbunden, die in ihrer Vita schreibt, dass sie Hoffnung und Lebewesen zugleich ist. Dunja berät Unternehmen bei Visionsfindung und Sichtbarkeit, schreibt Drehbücher, ist Moderatorin, Medienunternehmerin und Buchautorin (www.md-burghardt.com). Sie bewegt sich am Schnittpunkt zwischen Spiritualität und lebendiger Wirtschaft und hat gemeinsam mit ihrem Mann in den letzten 18 Jahren so einiges durchl(i)ebt. Wenn „man“ so von außen draufschaut: Eine starke Frau. Wie siehst du das selbst, Dunja, und was ist das für dich, eine starke Frau?

Dunja: Diese Frage ist für mich nicht eindimensional zu beantworten. Für mich ist eine starke Frau eine schwache Frau. Eine starke Frau ist eine unsichere Frau, gleichzeitig eine sichere Frau, die starke Frau hat verschiedene Facetten. Sie ist bei sich … und zugleich ist eine starke Frau für mich auch mit allem verbunden und das ist natürlich wild, lebendig, facettenreich bewegt. Mit allen Gefühlen, die dazugehören.

Andrea: So wie wir jetzt bei diesem Interview mit Aufregung und Nervosität verbunden sind, sowohl die eine Gesprächspartnerin als auch die andere. Das ist Lebendigkeit, oder?

Dunja: Ich bin immer aufgeregt. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber aus dem ersten Impuls würde ich sagen, dass es bisher kein Interview und keine Moderation gab, vor dem ich nicht aufgeregt war.

Andrea: Das geht mir ganz genauso, ich glaube, dieses Lampenfieber ist ein völlig natürlicher Impuls, der uns auch schützen soll. Es ist, wie du gerade gesagt hast: Es gehört zur Stärke dazu, auch mit diesem Gefühl in Verbundenheit zu sein, es zuzulassen, es anzunehmen und diese Aufregung als Bestandteil des Geschehens anzusehen.

Dunja: Es ist eine Facette, genau. Weil Sonntag Muttertag ist, habe ich mich interessanterweise gerade ein bisschen mit dem Thema Weiblichkeit beschäftigt und finde es toll, wie dieser Tag die Aspekte der Weiblichkeit aus verschiedenen Facetten zeigen kann und wie die Historie dieses Tages ist. Wir haben ganz tolle Filme auf unserer Plattform (https://www.pantaray.tv) zum Muttertag – da ist einmal Jane Goodall, die sich für Schimpansen, für die Natur einsetzt, jetzt aber auch für die nächste Generation. Dann gibt es einen Film über eine Frau, die in den Wechseljahren ist und sich mit der ganzen Veränderung auseinandersetzen muss, dann einen Film, in dem eine Frau lernt, mit ihrer Demenz klar zu kommen. Das sind so viele verschiedene Facetten von Frauen, die ich angucken durfte. Es ist eine solche Buntheit in dieser Weiblichkeit, die kaum in Worte zu fassen ist.

Andrea: Diese Buntheit ist etwas ganz Essenzielles für dich, wenn ich es richtig verstehe. Ich habe eine Aussage von dir gelesen, es gehe dir darum, Vielfalt in der Einheit zu leben – bunt, paradiesisch, viele Farben, bloß kein Einheitsbrei. Du hast gesagt, jede und jeder darf sich zeigen, so wie er sie ist, kann, soll, will. Das finde ich einen sehr interessanten Aspekt, der diesen Facettenreichtum, von dem du gerade sprachst, verdeutlicht. Können Frauen diese Vielfalt tragen? Oder erlebst du auch Frauen, die sich in diesem „Sich-zeigen“, in diesen vielen Facetten unwohl fühlen?

Dunja: Da sind viele Fragen drin. Wir sind mehrdimensionale Wesen und es gilt, diese Dimensionen nicht zu trennen, weil wir in der Einheit sind und uns dessen bewusst sein dürfen. Für mich ist es daher wichtig zu wissen, dass Weiblichkeit auch im Mann ist. Das heißt, die Antwort auf die Frage „Kann sie es tragen“ lautet: Wenn ich die ganze Weiblichkeit nehme, ja, dann kann sie es tragen, in beiden Aspekten, männlich und weiblich und wenn Mann und Frau beide ihren weiblichen Aspekt leben. Und dann die Frage nach dem Einheitsbrei, auch hier finden wir wieder diese Dimensionen, diese Ebenen und wir benötigen die Anbindung an die Einheit. Manche sehen die Polarität zwischen Schwarz und Weiß, ich sehe Grau. Die Mischung der Dualität ist die Einheit. Grau will ja keiner hier – graue Maus und so weiter. Aber Grau ist wunderschön, wenn wir die Ebenen verstehen. In dem Moment, in dem wir verstehen, dass die Mischung aus Schwarz und Weiß Grau ergibt und dass wir im Schwarz alle Farben finden und im Weiß auch alle Farben finden, dann können wir in dieser Einheit wirkliche Vielfalt leben.

Andrea: Alle Dimensionen, alle Ebenen sind in uns angelegt und wir bringen sie situativ in die Vielfalt ein?

Dunja: Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass ich nicht jetzt auf einmal alle Farben leben muss. Heute in diesem Gespräch sage ich vielleicht etwas, dass ich in einem anderen Interview anders gesagt habe. Das heißt aber nicht, dass ich nicht die Wahrheit sage, sondern aus der holistischen Perspektive nehme ich als ganzer Mensch verschiedene Blickrichtungen ein, nicht nur eine. Diese Fülle macht uns lebendig. Und zu deiner letzten Frage – um mich in all diesen Facetten nicht unwohl zu fühlen, benötige ich Ruhe. Ich bin heute in dieser einen Facette oder in drei oder vier verschiedenen, und morgen in anderen fünf Farben und dazwischen oder währenddessen braucht es Ruhe, gerade in diesen turbulenten Zeiten habe ich das deutlich bemerkt.

Andrea: Das heißt, wenn wir als Frauen oder allgemein als Lebewesen diese Vielfalt halten wollen und uns nicht von ihr überwältigen lassen, sondern unsere Farbe einbringen möchten in all die Milliarden verschiedenen Grautöne, dann benötigen wir unseren persönlichen Weg, um in Verbindung zu dieser Vielfalt zu sein. Und dieser Weg kann zum Beispiel die Rückbesinnung, die Ruhe sein. Habe ich das so richtig verstanden?

Dunja: Naja, Milliarden verschiedene Grautöne gibt es in dem Moment, in dem du nicht die exakte Mischung der göttlichen Ordnung hast, in der exakten Mischung gibt es nur ein Grau, nur Einheit. Aber hier auf der Erde gibt es Grau eben in ganz verschiedenen Mischungen, vieles ist grau, Steine sind grau … Aber zurück zu deiner Frage, wie wir Fülle leben können, ohne das es zuviel wird, das wolltest du wissen, oder?

Andrea: Ich hatte versucht, dir nochmal zu spiegeln, was ich von dir verstanden habe: Um die Vielfalt tragen und einbringen zu können, benötigen wir die Kapazität, sie zu fühlen. Ich sehe das im Spannungsfeld zwischen dem Erleben von Stress durch Vielfalt oder dem Erleben von Fülle durch Vielfalt. Ja, das war der Impuls, den ich durch deine Aussage bekam: Ist diese tägliche Vielfalt, das Bunte, dieses ständige Spannungsfeld der Facetten, ist das Stress oder ist es jedes Mal ein wunderschönes Geschenk und zeigt uns all die Varianten, die wir ins Leben einbringen können?

Dunja: Es kann beides sein und wir müssen auch gar nicht so viel damit tun. Ich glaube, wenn wir unsere Vielfalt leben wollen, dürfen wir verstehen, dass wir eingebunden sind zwischen Himmel und Erde in etwas, das größer ist als wir. Dann gibt es da gar nicht mehr so viel zu überlegen – „Oh Gott, jetzt ist es zuviel und ich bin im Stress und das ist schlecht“. Es geht einfach darum, so wie du es eben gesagt hast, auf das Gefühl zu hören und dann spüren wir sehr genau, wann etwas nicht passt – aber nicht im Hinblick auf den einzelnen Körper, sondern in der Perspektive auf das Ganze. Wir sind viele und die Frage ist doch, wie wir Vielfalt leben können auf dieser Erde. Antworten können lauten: Immer mehr Toleranz, immer mehr Verständnis für einander, immer mehr Tanzen, Abwechslung und Spiel, immer mehr Reflexion und Freude zulassen. Das Paradoxe ist, dass wir auf diesem Weg bereits sind, denn im Grunde genommen, für mich persönlich, passiert es von selbst. VON SELBST heißt, dass es vom Selbst ausgehen muss, von uns selbst. Das heißt, es passiert von alleine, aber ich muss mitmachen.

Andrea: Um diese Vielfalt zu verbinden, könnten wir Brücken bauen? So wie auch im Motto des Dachunternehmens, unter dem du und dein Mann eure vielfältigen Aktivitäten bündeln? „Bridging the world beyond“ – Spiritualität und Wirtschaft verbinden. Worum geht es dir dabei? Als Mensch, als Frau?

Dunja: Als Mensch geht es mir vor allem darum, all die verschiedenen Dimensionen auf die Erde zu bringen. Das, was uns auch in diesem Interview dazu bringt, nicht linear nach den abgestimmten Fragen zu gehen, sondern zu fließen, zu fühlen – das holistische Denken. „Bridging the world beyond“ heißt für mich, dass ich verbunden bin mit dem Kosmos – über das Universum hinaus, ins Multiversum, in die Einheit. Und von der Einheit zurück auf die Erde, zu mir als Mensch. Im Grunde genommen bin ich, sind wir wie eine Matroschka-Puppe, die ist auch nicht linear, sondern besteht aus vielen Ebenen.

Andrea: Für all die Leser:innen, die zwar spirituell interessiert sind, sich aber noch nicht so sehr damit beschäftigt haben, mal die Frage aus einer ganz anderen Perspektive heraus: Was habe ich davon?

Dunja: Ja, was habe ich davon? Lebendigkeit pur! Weil ich in Beziehung mit den Menschen gehe. Ich kann ein Thema rundum erfassen, bin mir bewusst, dass es verschiedene Sichtweisen darauf gibt. Ich kann ganz Mensch sein, weil mir in jedem Moment alles passiert, ich bin mal in die eine Richtung unterwegs, kann mich aber sofort wieder drehen und auch eine Empathie, ein Verständnis für den Andersdenkenden entwickeln und das ist toll, weil Menschlichkeit passiert.

Andrea: Die Brücke zur „world beyond“ bringt uns in Beziehung, in unsere Menschlichkeit?

Dunja: Ja, und gerade in den größten Krisen habe ich sehr viel davon. Natürlich kann ich mich fragen, warum ich diese Anbindung, diese Brücke überhaupt benötige. Ich für mich kann sagen: Hätte ich diese Anbindung in den schlimmsten Zeiten nicht gehabt, wäre ich „lost“ gewesen. Diese Anbindung ist etwas Essenzielles, das nicht über oder unter uns ist, sondern in uns. Eigentlich ist es der Kontakt zu uns selbst, zu unserem SELBST.

Andrea: Unser Leuchtturm?

Dunja: Nein, der Kontakt zur Verbundenheit. Oder – ja – vielleicht der Leuchtturm. Siehst du, das ist der Perspektivwechsel, den ich meine. Erst drängt es mich, meine Perspektive zu sagen und dann öffne ich mich für deine und sehe, dass der Leuchtturm natürlich auch als Metapher für die Anbindung an die Einheit stehen kann.

Andrea: Es ist die Wiederherstellung des Bezugs zu einer Art Quelle, aus der heraus ich sicher und klar agieren kann.

Dunja: Ich kann nur für mich reden und kann von mir nicht behaupten, dass ich immer sicher bin, wenn ich aus der Verbundenheit heraus agiere. Natürlich gibt es Momente, in denen ich aus einer Sicherheit agieren kann und gleichzeitig gibt es in meinem Menschsein ganz viel Unsicherheit und ich agiere daraus. Das ist genau das Verständnis, von dem ich spreche. Es gibt diesen Kreis von Perspektiven, der immer wieder entsteht, wenn wir in Beziehung sind. Zwei ist die kleinste Einheit von Wir und dieses Wir hat immer verschiedene Perspektiven. Und deswegen ist die Intuition so wichtig, wir kommen ins Fühlen und können spüren, dass da ein gemeinsamer Nenner ist. Ich habe immer schon viel beobachtet, mein ganzes Leben lang und ich kann sehen, dass da etwas ist, was wirklich alle Menschen eint. Und wenn wir das verstanden haben, dann können wir die Richtung nicht verfehlen. Auch als wirtschaftende Wesen können wir uns daran ausrichten, deshalb möchte ich Spiritualität und Wirtschaft zusammenbringen.

Andrea: Die Verbundenheit, die Einheit als Leitstern in der Wirtschaft?

Dunja: Wenn das der Leitstern ist, wenn man für sich entdeckt hat, wonach sich eigentlich jeder Mensch tief im Herzen sehnt, dann darf es turbulent sein, dann darf alles dazu gehören. Nimm mal den Leuchtturm von eben als Symbolik und jetzt frage ich dich – wann scheint aus dir das Leuchtfeuer?

Andrea: Hm – wenn ich in Verbindung bin, wenn ich meine Brücken gebaut habe, wenn ich andererseits ganz bei mir bin, wenn ich mein Selbst bin, ich meine natürlichen Kräfte in all ihrer Widersprüchlichkeit und erschreckenden Gewaltigkeit spüren darf. Und wirken lasse.

Dunja: Und dann lernst du damit umzugehen, Stück für Stück und du merkst auch diese Lebendigkeit und erfährst, wie wir uns gegenseitig helfen können, sie zu entfalten. Und um nochmal auf die starke Frau zurückzukommen, zum Kern – es kann dann auch sein, dass die Entfaltung einer Stärke je nach Lebensabschnitt völlig unterschiedlich erfolgt. Dass eine Frau sich gerne zurückzieht und gar nicht nach vorne geht, um sich in allen Facetten zu zeigen. Es gibt Phasen im Hintergrund und Phasen im Vordergrund. Und es ist ganz wichtig, dass wir uns im Erleben allen Facetten der Lebendigkeit unterstützen.

Andrea: Ich finde schön, dass du auf diese gegenseitige Unterstützung eingehst, weil das eine Botschaft ist, die in ganz vielen meiner Gespräche entsteht: Der Aufruf zur Gemeinschaft von Frauen, zu einer wachsenden Selbstverständlichkeit der Verbindung und die Einladung, den Mut aufzubringen, den es braucht, um sich auf diese Gemeinschaft einzulassen. Wenn wir uns fragen, welche Rolle die starke Frau spielt im Hinblick auf das Entstehen von Lebendigkeit, dann glaube ich, dass sie es ist, die die Verbindung bringt. Sie ist es, die Brücken baut, über die wir in Verbindung gehen können, um uns Unterstützung zu holen – als Frauen, als Menschen, als Gemeinschaft.

Dunja: Ich glaube, dass wir an einem Punkt sind, an dem sich etwas Gewaltiges öffnet und es geht jetzt darum, dass wir diesen Wandel wirklich zulassen. Das „alte“ lineare Denken darf jetzt auf allen Ebenen aufgebrochen werden, und das passiert auch gerade. Dadurch entsteht das Chaos, was wir gerade erleben: Das lineare Denken bricht auf und alles passiert gleichzeitig, das Geschehen ist gar nicht mehr einzuordnen. Das ist die Genialität der Schöpfung.

Andrea: Was ist daran genial?

Dunja: Wir gehen jetzt mal kurz in eine sehr spirituelle Richtung und dann zurück auf den Boden der Wirtschaft, um nicht abzuheben. Nehmen wir mal eine Inkarnation, ein Altleben, jemanden, der vorher in Atlantis geboren wurde und jetzt auf einmal in Lemurien leben soll. Also ein Wesen, das die männliche Seinsebene erinnert und diese jetzt in die weibliche Ebene integrieren soll. Es hat die ganze männliche Vergangenheit dabei und die ganze weibliche Zukunft im Kopf. Durch diese Verschränkung entsteht Chaos, und zwar nur deswegen, weil wir immer sortieren und trennen wollen, anstatt Mann und Frau in uns zu integrieren. Der Kopf will es trennen, das geht aber nicht mehr, weil die Linien sich kreuzen. Du kannst das Sein nicht mehr trennen und irgendwann werden wir das einsehen, und loslassen. Oder wir werden aufgeben und uns dem Chaos überlassen, die Integration zulassen, die Gleichzeitigkeit, das Multiperspektivische. DANN werden wir wirklich ganz. Das ist die Genialität der Schöpfung, so wie ich sie momentan wirken sehe: Der Mensch als Ganzes erwacht und das ist die Bestimmung der Menschen auf dieser Erde.

Andrea: Unsere Bestimmung ist die Ganzheit?

Dunja: Wir alle sind eingeladen uns zu fragen, wozu der Mensch da ist. Wir sind eingebettet in die Verbundenheit alles Lebendigen, von Pflanzen, Steinen, Tieren. Und dann eben der Mensch. Innerhalb der fünf Elemente, der Wandlungsphasen oder Zyklen, der Verbundenheit allen Seins – wie steht der Mensch in Bezug zu all dem? Und wenn wir verstanden haben, warum wir wirklich da sind, dann können wir wirtschaften. Vielleicht ist das Vorhergesagte Vielen zu abgehoben, sie finden darin keinen Bezug zu ihrem Leben. Ich sehe das anders, sehe mein spirituelles Wissen als Voraussetzung, um das Leben zu meistern, weil zum Leben alles gehört, auch mal eine große Brutalität. Wir sind im Gleichgewicht – auch ökologisch – und im Ungleichgewicht – auch ökologisch – und die Erde wehrt sich mit aller Brutalität. Und natürlich ist das nicht schön, wenn durch einen Vulkanausbruch ganz viel zerstört wird, aber aus der Perspektive der Erde wird dadurch ein Gleichgewicht wiederhergestellt. Ich gehe davon aus, dass diese Extreme aufhören werden, aber die Lebendigkeit, die wird nicht aufhören.

Andrea: Und im Bezug auf die Wirtschaft geht es dir darum, die lebendige Ganzheit ins Wirtschaften einzuladen, wenn ich dich richtig verstehe?

Dunja: Genau, dieses Prinzip siehst du auch in unserem Logo. Eine männliche und eine weibliche Pyramide, die zusammen einen Kreis bilden. Wenn wir uns trauen, die Lebendigkeit in Unternehmen zu holen, dann kommt der ganze Mensch ins Unternehmen, mit allen Facetten von männlich und weiblich. Dann kommen alle Gefühle ins Unternehmen, alle Erfahrungen und alle Familienstrukturen – die der Zukunft, die der Vergangenheit. Es wird ganz. Das haben schon Hunderttausende vor mir gesagt, das ist keine Erkenntnis von mir. Wenn wir uns auf diesen Weg trauen, dann entsteht ein großes Potenzial. Ich selbst erlebe diesen Prozess gerade, weil wir dabei sind, unser festes Team aufzubauen – nicht wie bisher für Projekte oder Festivals, sondern dauerhaft. Mein Mann und ich haben zu zweit angefangen, waren also schon immer ein Wir. Dann kamen partiell Mitarbeiter:innen dazu – aber jetzt ein festes Team zu schaffen, das war und ist eine große Herausforderung, weil wir uns alle auf Augenhöhe bewegen möchten. Es gibt keinen Chef und wir wollen im Kreis führen – immer wieder führt ein anderer, eine andere. Am Anfang benötigt dieser Prozess viel komisches Reden, wir stimmen uns ständig ab – jetzt führst du, jetzt führe ich. Alles ist noch ein bisschen eckig und abgehackt; wir durften aber auch schon mehrmals einen Flowzustand von Schwarmintelligenz erleben, in dem, wie in einem Tanz, automatisch die Führung wechselt. Das sind ganz besondere Momente, in denen wir merken, dass wir nicht nur im Team verbunden sind, sondern auch mit Himmel und Erde.

Andrea: Was ist dafür nötig? Ich kann mir vorstellen, dass diese Frage unsere Leser:innen sehr interessiert.

Dunja: Wir sind noch mittendrin, ich kann es dir noch nicht sagen, was nötig ist. Ich habe nur wirkliche Lust am Ausprobieren. Ich glaube, Vertrauen ist nötig und es ist nötig Verletzungen zuzulassen, Fehler zuzulassen. Zu reflektieren, um daraus zu lernen. Sich korrigieren zu können, Respekt voreinander zu haben, Raum zu haben, Zeit zu haben – ich könnte unendlich weiter machen, aber ich stoppe mich und reduziere auf den Kern: Die Basis ist Liebe. Sie ist das Wichtigste und da bin ich beim weiblichen Aspekt des Wirtschaftens: Dass wir uns gegenseitig mütterlich lieben, nicht fallen lassen.

Andrea: Ich finde es sehr schön, dass in all dem bisher Gesagten immer wieder das Prinzip des linearen Denkens aufgelöst wird, die Linie als das typisch männliche Symbol und stattdessen erscheint der integrierende Kreis als das archaische Symbol der Weiblichkeit. Du sagtest, wir werden das lineare Denken aufbrechen, auch die zeitliche Linearität von Vergangenheit und Zukunft. Wir sind eingeladen, uns dem Holistischen, Ganzheitlichen zu öffnen und du hast mir erzählt, das ihr kreisförmig führen möchtet, um Zugriff auf die Fülle der Schwarmintelligenz zu erhalten.

Dunja: Wenn du von der Linie sprichst, denke ich sofort, dass die Linie ganz einfach zum Kreis werden kann …

Andrea: … und der Kreis zur Linie, das stimmt. Wir denken noch viel zu sehr in „Entweder-oder“ dabei ist es immer ein „Sowohl-als-auch“.

Dunja: In diesem Spiel mit Kreis und Linie hilft vielleicht ein Bild, um das Prinzip besser zu verstehen. Stell einfach mal symbolisch alle unsere Mitarbeiter in einen Kreis und lass sie auf die Mitte schauen – sie haben alle verschiedene Blickwinkel, durch ihre Position im Kreis, sind aber durch ihren Blick auf die Mitte verbunden. Der Punkt in der Mitte des Kreises vereint uns. Wie bei einer Eizelle, wie beim Erdkern – du hast die Vielfalt, das Chaos drumherum, aber die Vielfalt hat einen gemeinsamen Nenner. Die Menschheit hat einen gemeinsamen Nenner – egal ob wir vom kleinsten Teilchen oder vom größten Prinzip reden, es gibt immer diesen Mittelpunkt. Und da dürfen wir uns als Team fragen, als Unternehmen, als Menschheit aber auch als Ich – was ist der Kern? Wo will ich hin? Wohin wollen wir unsere Wirtschaft bewegen? Hat unser Wirtschaften auf der Erde einen Sinn? Welchen Sinn?

Andrea: Das erinnert mich an den „Golden Circle“, von Simon Sinek und seine Aufforderung „Start with Why“ (https://simonsinek.com). Er definiert die unternehmerischen Fragen als „What“, „How“ und „Why“, wobei das Warum für ihn in einem Kreis zentral in der Mitte steht – den Mittelpunkt allen Wirkens bildet. Um diesen Punkt kreisen wir mit all unserem Wie und Was.

Dunja: Genau, und wenn wir dieses Warum in den Mittelpunkt stellen, dann werden plötzlich Machtstrukturen in Frage gestellt. Wenn beim gemeinsamen Wirtschaften alle um einen Menschen kreisen, um den Chef, dann kann der sich aufblasen, oder er wird aufgeblasen, bis er platzt. Aber was passiert, wenn wir den höheren Purpose in die Mitte stellen? Denn auch wenn Menschen an vielen Stellen bestimmen und handeln, entscheidet dahinter doch etwas anderes, ob es dann wirklich so passiert. Aber für das allgemeine Verständnis brauchen wir kein höheres Prinzip, keinen Gott. Es reicht, ganz Mensch zu sein und etwas Gemeinsames in die Mitte zu stellen, als verbindendes höheres Prinzip. In unserem Buch „Lebendige Wirtschaft“ beschreibt ein Junior-Chef, wie er mit seinem Team den Ein-Wort-Sinn des Unternehmens erarbeitet. Ich finde es einen schönen Impuls für jedes Unternehmen: Überlegt, was euer Ein-Wort-Wert ist und orientiert euch daran. Und neben all diesen einzelnen Werten gibt es dann auch einen gemeinsamen und es wäre natürlich schön, wenn wir diesen übergeordneten Wert zusammen mit der Erde bestimmen würden, die für mich das intelligenteste Unternehmen überhaupt ist.

Andrea: Ich glaube, dass hier ein zentraler Unterschied liegt. Es gibt viele Unternehmen, die versuchen ihren Sinn in Form eines Leitbildes oder einer Mission / Vision zu formulieren und dann kommt diese „Formel“ auf ein DIN-A4-Blatt und hängt im Flur. So wie du es gerade formuliert hast, dass ein Wert wirklich zum Mittelpunkt wird, damit das gemeinsame Ausrichten Macht und Wirksamkeit entwickeln kann, dazu gehört meiner Meinung nach wieder die Verbundenheit. Oder?

Dunja: Für mich ist es zu früh, um wirklich zu sagen, was erforderlich ist. Für unsere Film-Plattform geht es um Vielfalt und wir prüfen im Team immer wieder, ob unser Handeln danach ausgerichtet ist. Wir überprüfen uns immer wieder – aber ob wir mehr Fühlen benötigen oder mehr Struktur, mehr Digitalisierung oder mehr Freizeit – ich weiß es noch nicht, wir sind mitten im Prozess. Wir sind voll drin und es bleibt ein Prozess, wir wollen nicht ankommen. Ich glaube, Menschen könnten ganz viel Erschöpfung aus ihrem Tun herausholen, wenn sie nicht ankommen wollen, sondern wissen, dass sie schon angekommen sind.

Andrea: Nicht ankommen wollen, sondern wissen, das wir schon da sind – das rührt etwas in mir an. Wenn wir ankommen wollen, sind wir wieder im linearen Denken, wir haben ein Ziel, sind linear darauf ausgerichtet. Wir haben die Vergangenheit hinter uns, mit all unseren Erfahrungen und aus diesen Erfahrungen heraus entwickeln wir das Ziel und die Zukunft. Und ich stelle mir vor, dass durch das Einbringen von Spiritualität in das Wirtschaften eine neue Perspektive entsteht: Wir reagieren nicht mehr aus der Vergangenheit, sondern können aus der Zukunft heraus agieren.

Dunja: Wir brauchen keinerlei Ausgrenzung. Wenn wir einfach davon ausgehen, dass wir schon angekommen sind und uns in einem stetigen Evolutionsprozess befinden, dann können wir jeden und alles, was jetzt da ist aufnehmen als genau richtig in diesem Moment. Das heißt nicht, dass wir alles akzeptieren müssen, was der- oder diejenige macht, sondern dass es in dem Moment einfach so ist und so sein soll. Ich kann mich entscheiden, wen ich in mein Team nehme und ich kann aus der Akzeptanz der Person heraus auch sagen, dass wir nicht zusammen passen. Und wenn wir es schaffen, uns gegenseitig zu respektieren, dann haben wir auch keine Machtstrukturen, die aus dem Ruder gehen können.

Andrea: Diesen Aspekt finde ich wichtig: Jeder Mensch, jede Situation ist jetzt gerade gegeben und deswegen jetzt gerade richtig. Dieses Verständnis ist für mich das Grundprinzip der Co-Kreativität.

Dunja: Genau, wenn wir uns mit dem, was sowieso da ist, verbinden, trauen wir uns zu leben. Es passiert etwas und ich gehe nicht in den Widerstand und überlege, was jetzt falsch oder blöd ist, oder was ich falsch oder blöd gemacht habe, sondern ich schaue es mir an und sage – Okay, danke, was kann ich daraus lernen, warum begegnet mir dieser Mensch, diese Situation genau jetzt?  Durch diese Lebendigkeit entstehen Experimentierfelder und wir als Team lernen gerade, in welchem Maß wir diese Experimentierfelder nutzen können, wollen.

Andrea: Es könnten sonst zu viele Experimentierfelder werden, nehme ich an?

Dunja: Wenn wir uns jetzt trauen, Neues auszuprobieren und auf verschiedene Arten und Weisen neue Wege öffnen – ob im kleinen, kreativen Team oder in der deutschen Wirtschaft – dann geht es immer um die Frage, wie wir dafür Räume schaffen und wo diese Räume einfach noch zu eng sind. Wo passiert so viel, wo geht so viel (im guten Sinne) schief, dass wir eingeladen sind, unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten? Wo ist gerade jetzt Hilfe erforderlich, wo ist etwas nicht in Balance, was stimmt nicht? Oder – ganz wichtig – ist da zwar Chaos und Herausforderung, aber es fließt? Macht es meinen Mitarbeitern – bildlich gesehen – gerade Spaß, den Marathon zu laufen oder sind sie erschöpft, überfordert?

Andrea: Genau. Das ist es. Du spürst ja sowieso – also du spürst es, ich spüre es, viele Menschen spüren es in jeder Begegnung – ob ein Mensch gerade in dieser Situation sein will oder nicht. Und für mich ist das genau der Zustand, in dem sich die meisten Unternehmen befinden, dass dort Menschen sind, die da alle nicht sein wollen.

Dunja: Genau, schau dir den Gallup-Engagement-Index an (https://www.gallup.com/de/321938/engagement-index-deutschland-2020.aspx) – seit Jahren haben wir eine überwältigende Zahl von Mitarbeiter:innen, die entweder innerlich gekündigt haben oder Dienst nach Vorschrift machen, die also keine oder nur eine geringe Bindung zu ihrem Tun spüren. Nehmen wir (optimistisch gedacht) an, dass circa die Hälfte der Menschheit nicht das macht, was sie gerne tut. Dann müssen wir uns doch nicht wundern, warum es überall ruckelt und zuckelt? Und da brauche ich dann auch keine spirituelle Weisheit, kein Achtsamkeitstraining, keine Stress-Prävention. Es gilt, es ruckeln zu lassen und wirklich gemeinsam hinzugucken, warum es da ruckelt. Lass uns alle schauen: Wie kriegen wir das hin? Auf dieses Aufbrechen der Wirtschaft, auf dieses gemeinsame Entdecken freue ich mich total.

Andrea: Da klingt ganz viel Optimismus heraus, wie schön.

Dunja: Natürlich, ich bin Hoffnung, du hast es in der Einleitung gesagt. Ich habe auch oft die Hoffnung verloren. Wenn du all die Verstrickungen siehst, die, die ich selber habe, die du hast, die wir alle haben, die wirklich auf dieser Erde da sind, wenn du dieses Wollknäuel betrachtest, dann entsteht der Eindruck – das kriegen wir nie auseinander. Wie naiv kann man sein, da eine Hoffnung zu haben? Ja, aber wenn du stricken willst, führt kein Weg daran vorbei, dass du beginnst, das Knäuel zu entwirren. Du fängst einfach an und dann machst du weiter.

Andrea: Wir haben gerade gemeinsam den Weg skizziert, auf dem wir uns als Menschen, aber auch als Menschheit befinden. Wenn wir jetzt zu den starken Frauen zurückkehren – haben sie eine besondere Rolle bei dem, was jetzt ansteht?

Dunja: Ja, haben sie. Ich könnte ganz viele Facetten einfließen lassen, da sind wir wieder am Anfang des Gesprächs, aber wenn du mich fragst, was jetzt im Moment wirklich von den Frauen gefragt ist, dann sind es Schwesterlichkeit und Vergebung. Und, obwohl ich diese Mann-Frau-Trennung normalerweise nicht mag, wenn du mich fragst, was von den Männern aktuell gefordert ist, dann sind es Brüderlichkeit und Vertrauen …
Andrea: …und dann ist das, was jetzt gerade von uns allen gemeinsam eingebracht werden soll, letztendlich vielleicht der Mut, sich mit allem, was da ist, zu zeigen. Und mitten ins Leben zu stellen, in der Bewusstheit, dass in meinem So-Sein ein Sinn ist und dass dieser Sinn nur dann erfüllt werden kann, wenn ich alle Facetten, die meine Einzigartigkeit ausmachen, zeige und einbringe. Passt das?

Dunja: …

Andrea: Eigentlich sagen meine Gesprächspartner:innen immer das Schlusswort. 🙂 Kommt noch was bei dir?

Dunja lacht und schüttelt den Kopf.

Andrea: Toll, dann lassen wir es genau so stehen als das, was gerade da ist und ich bedanke mich von Herzen bei dir für das inspirierende Gespräch.

Kontakt:

Dunja Burghardt

dunja@md-burghardt.com
www.md-burghardt.com