Jenseits der Sprache liegt eine große Kraft, die in der Stille entsteht. Vielleicht gibt es einen Raum hinter den Worten, in dem wir uns als Lebewesen begegnen könnten, um neue Formen des Verständnisses zu finden?

Manchmal gibt es Situationen, in denen ein tiefes Verständnis entsteht, das nichts mit Worten zu tun hat. Wir sitzen still in einem Kreis und die Tiefe der gemeinsamen Wahrnehmung führt dazu, dass einige von uns Gänsehaut bekommen. Es ist im ganzen Körper zu spüren, als Vibrieren, als Prickeln, es ist wahrnehmbar und es berührt uns alle. Aber WAS ist es, was uns da berührt? Wenn wir nicht sprechen, sondern „nur“ wahrnehmen, was nehmen wir dann wahr? Das ist ein so interessantes Thema! Johanna und ich, Andrea, haben versucht, uns dieser Frage nach der „Kraft der Worte“ über den gemeinsamen Dialog und die geteilte Stille zu nähern. Wir haben gesprochen und gelauscht – haben gemeinsam gefühlt, was in uns entstehen will und was wir mit Euch, den Leser:innen, teilen wollen.

Auf der Suche nach der Kraft hinter den Worten fragten wir uns zunächst: Was ist Sprache eigentlich? Für eine Autorin, Andrea, und eine Weisheitslehrerin, Johanna, ein vielleicht naheliegendes Thema, schließlich nutzen wir beide offensichtlich den sprachlichen Ausdruck, um unsere Inhalte zu vermitteln. Aber ist es wirklich nur die sprachliche Kraft eines Wortes, die in unserer Kommunikation wirkt? Transportieren wir mit unseren Worten einen abstrakten Inhalt und dieser Inhalt trifft auf die Wahrnehmungswirklichkeit des Gegenübers und wird dort (hoffentlich) verstanden und in eine Reaktion umgesetzt?

Die Kraft der Worte – wie entsteht sie – allein durch die Bedeutung, die wir ihnen intellektuell geben oder ist da mehr? Wie alles in uns und um uns herum ist auch Sprache Energie, schön zu sehen ist das in den berühmten Wasserbildern des japanischen Wissenschaftlers Masaru Emoto, dessen Forschungen seit den 1990er Jahren zeigen, dass sich Wasserkristalle verändern, je nachdem welchen Einflüssen sie ausgesetzt werden. (Beispiele hier: https://www.masaru-emoto.net/en/crystal-2/) In seinen Experimenten hat Emoto Wasser tropfenweise in Schalen gefüllt und gefroren. Die entstandenen Kristalle wurden unter dem Mikroskop fotografiert und zeigten, dass „gesundes“ Wasser sechseckige Kristallstrukturen herausbildet, „krankes“ Wasser dagegen nicht. In seinen Forschungen fand Emoto heraus, dass Worte, denen das Wasser vor dem Einfrieren ausgesetzt war, die Struktur verändern. Negative Wörter oder Aussagen führen zu schwachen, unharmonischen – scheinbar „kaputten“ Eiskristallen. Positive Wörter wie „Danke“ oder „Glück“ produzierten die als gesund erscheinende, harmonische, sechseckige Struktur.

Versteht das Wasser die Worte – oder, anders gefragt: WIE versteht das Wasser die Worte? Mit jedem Wort einher geht eine bestimmte Schwingung, eine Frequenz. Darum scheint es zu gehen. Genau wie die Wasserkristalle erleben auch wir die Schwingung eines Wortes mit dem ganzen Körper und wir reagieren. Wir öffnen uns dem Gesagten, wenden uns zu, richten unsere Antennen aus oder wir machen zu, gehen in den Widerstand, wehren ab. Das alles mag unter der Oberfläche des Bewussten passieren, aber es passiert.

Wer von Euch in der Meditation Mantras nutzt, weiß, dass diese nicht auf der Ebene des Verstandes, des Denkens wirken. Vielmehr scheint es neben der beruhigenden Wirkung, die die Wortwiederholungen haben, auch die energetische Wirkung der Wortfolgen zu sein, die den Körper beeinflussen. Im Sanskrit gibt es den Ausdruck „Nada Brahma“, der veranschaulicht, was auch die Quantenphysik mittlerweile belegen kann: Die Welt, das Universum, jedes Ding und auch wir bestehen im Innersten aus Vibrationen und Schwingungen, die zur Ausbildung von geistigen (Gedanken, Träume, Worte …) sowie materiellen Strukturen führen. Interessanterweise finden wir diese vergleichsweise neue physikalische Erkenntnis der Welleneigenschaft alles Seins in fast allen alten Weisheitslehren – in der hinduistischen Ursilbe „OM“, aus der alles weitere entsteht ebenso wie im christlichen „Am Anfang war das Wort“. Das Wort als klingendes, schwingendes Ereignis wird als Ursprung betrachtet – ist es gleichzusetzen mit dem Klang des Urknalls? Oder folgt der Knall auf das Wort – ist das Wort die Idee, die Schwingung, die alles Weitere anstößt und auslöst? „Noch ein Wort, dann knallt´s“ sagt die Mama – aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Also ist es der Klang, der die Musik macht, wie es im Deutschen so schön heißt? Da ist viel Wahres dahinter – wir können „Ich liebe dich“ sagen und unser Gegenüber gähnt entweder oder fällt uns um den Hals – die Worte bleiben gleich, aber auf der energetischen Ebene erkennen wir, was sie transportieren. Ich, Andrea, stelle es mir so vor, dass die unterschiedlichen Sprachebenen ein Päckchen schnüren aus Wort und Gefühl und dieses Päckchen beeinflusst die Frequenz, mit der die Botschaft beim Empfänger ankommt. Ein dahergesagtes „Ich liebe dich“ kann also die Antwort „Schnibbelbohnensuppe“ auslösen, weil es als „Was gibt´s zum Abendessen?“ interpretiert wird.

Sprachlos oder gewaltig?

Über den Klang der Worte erschließen wir die Welt. Die Klangfarbe von Worten, von Sprachen, sagt uns viel über die Menschen. Rauhe Landschaften bringen raue Sprachformen und Dialekte hervor, denken wir an das Schwyzerdütsch oder den bayerischen Dialekt.

Das Wort, der Klang steht am Anfang auch unseres ganz persönlichen Erlebens, unserer Auseinandersetzung mit der Welt. Die Stimme der Mutter vermittelt bereits dem Ungeborenen seinen Bezug zur Welt – Sicherheit oder Unsicherheit, Urvertrauen und Geborgenheit oder etwas anderes, diffuseres. Die Klangfarbe der Worte und ein energetischer Bezug sind von Beginn an präsent, die intellektuelle Bedeutung des Worts schiebt sich viel später in unser Bewusstsein – mit dem Sprachvermögen wächst dann auch das Denkvermögen und Forschungen (z.B. die Sapir-Whorf-Hypothese) belegen, dass der Sprachreichtum eines Menschen ihm auch einen größeren Raum für Ausdruck in allen Ebenen gibt – anders gesagt: Wenn ich es nicht ausdrücken kann, existiert es nicht. Sprachlosigkeit auf einer Ebene mit Bedeutungslosigkeit – des Seins, des eigenen Wahrnehmens. Speziell feinfühlige oder hochsensible Menschen oder alle anderen, die ihre Wahrnehmung nicht nur auf das Rationale begründen, kennen diese Hilflosigkeit zu gut. Wir können oft Phänomene zwar wahrnehmen aber nicht ausdrücken, es bleibt nur ein hilfloses „ich weiß es einfach“ und das Gegenüber ist genauso hilflos – was nicht ausdrückbar ist, kann den gemeinsamen Verständnishorizont nicht erweitern.

Keine Worte – kein Gefühl

Wir können etwas nicht ausdrücken – also existiert es nicht. Wenn wir keinen Begriff für ein Phänomen haben, können wir auch kein Gefühl damit verbinden. In der Hawaiianischen Kultur gab es lange Zeit kein Wort für Schuld und es gab auch keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Das Kollektiv behandelte Fehler als gemeinsame Aufgabe, wie die Tradition des Ho´oponopono (https://turya.eu/hooponopono) sehr eindrücklich zeigt. „Erst seit ihr Gefängnisse gebaut habt, gibt es Verbrechen“, sagen die Hawaiianer.

Als der Dalai Lama einmal in einem Interview zum Phänomen des „Selbsthasses“ Stellung nehmen sollte, soll er gefragt haben „Was ist das?“ Es folgte ein längeres Hin und Her zwischen ihm, den Übersetzern und dem Fragesteller aus dem Publikum, bis man verstanden hatte: Für ein Phänomen, unter dem wir hier im Westen fast alle leiden, und das quasi als „Urgefühl“ mit Scham und Schuld besetzt ist, gibt es in Tibet nicht einmal ein Wort. (Die Primärquelle dieser Geschichte ist nicht belegbar, sie kursiert im Internet.) Noch ein anderes Beispiel zur engen Verknüpfung von Worten und Existenz hat ebenfalls mit dem Buddhismus zu tun. Die im Westen ernsthaft und tief geführte Diskussion, ob Buddha eine Religion, eine Philosophie oder eine Kultur begründet habe, wird in der Heimat des Buddhismus nicht geführt, weil es keine Worte dafür gibt, diese Trennung auszudrücken. (Hier mehr dazu: https://www.info-buddhismus.de/Buddhismus_im_Westen_Dagyab_LS.html)

Ist das nicht spannend – ein kompletter Diskurs entfällt, weil die Worte dafür fehlen! Könnte diese Einsicht vielleicht manche unserer Probleme relativieren? Es ist nur unsere Sprache, die eine Polarität oder ein Spannungsfeld schafft, das eigentlich gar nicht da ist. Dann kehren wir vielleicht wieder zurück zu der Erfahrungsebene jenseits der Sprache. Wenn wir uns bewusst machen, dass unsere Sprache „nur“ von unserer kulturellen, regionalen und sozialen Herkunft kreiert wurde, dann könnten wir einen gemeinsamen Raum jenseits von Worten bewusst suchen und aufsuchen, um ein Verständnis aus der Tiefe heraus zu erfahren. Und vielleicht finden sich in der multi-Sprachlichkeit der Welt ja sogar Lösungsansätze für globale Problem, die erst aus der Zusammenführung der Diskurse, aus dem gemeinsamen Vergleichen, Spüren, aus dem Sich-Einschwingen auf die Frequenz des anderen, vermeintlich Fremden, entstehen?

Wir möchten Euch einladen, es auszuprobieren. Johanna (www.turya.eu) und ich haben jedenfalls an diesem (be-)schwingenden Dialog sehr viel Freude gehabt.