Im letzten Aachener intrinsify-Meetup hatten wir eine interessante Diskussion zur Frage „Warum arbeiten Unternehmen immer seltener mit Freelancern?“. Zwar bin ich in der glücklichen Lage, mich wenig oder eigentlich gar nicht mit frustrierender Akquise in diesem Bereich auseinandersetzen zu müssen. Trotzdem wundert es mich immer wieder, wie klar die Ablehnung einer Zusammenarbeit ist. Da für mich die Vorteile aus eigener Erfahrung (und zwar sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus Freelancersicht) klar überwiegen, habe ich die Frage nach den Pro und Contra gestellt. Ich bin sehr froh darüber, denn mit den Antworten und den Ergebnissen aus der sehr ergiebigen Diskussion habe ich ein Dokument zusammengestellt, das zeigt, wie man Stellschrauben für eine produktive und rechtskonforme Zusammenarbeit findet. Zum anderen kann das Dokument erklären, warum Unternehmen Freelancer benötigen, um nicht nur gut, sondern besser zu sein.
Ich habe mich in der folgenden Zusammenstellung auf die Kreativbranche konzentriert, weil ich mich hier auskenne. Über IT-Freelancer und Berater kann ich nicht so viel sagen. Im Meetup haben wir auch über diese Art der Zusammenarbeit gesprochen, einige Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede (speziell im IT-Bereich) festgestellt. Meine Bitte: Nutzt diese Liste und verbreitet sie gerne. Es wäre schön, wenn mehr und mehr Unternehmen sich dazu entscheiden würden, das co-creative Potenzial der Freelancer besser auszuschöpfen. Und je mehr sich da tut, desto eher werden auch die vermeintlichen Hürden der „Scheinselbständigkeit“ ausgeräumt werden (müssen).
Falls Ihr Ergänzungen / Kommentare / Erfahrungen zu dieser sicher nicht vollständigen Liste habt, meldet Euch gerne!
Die Vorteile der Zusammenarbeit mit Freelancern
- Finanzielle und zeitliche Flexibilität für den Auftraggeber – nur bezahlen, was benötigt wird, keine Fixkosten, Krankheiten, Urlaube …
- Freelancer werde ich leichter wieder los, keine Kündigungsfristen usw.
- Reaktionsschnelligkeit: Freelancer sind schnell produktiv und arbeiten eigenständig, das können sie, weil sie sich immer wieder in neue Situationen einarbeiten müssen
- Professionelle, schnelle und effiziente Erledigung von Aufgaben, die im Unternehmen nicht zum Kerngeschäft gehören, für den Dienstleister aber Kerngeschäft sind
- Auftragsspitzen flexibel abfangen
- Ungetrübter Blick von außen auf die Themen und Prozesse
- Co-Creation: Neue Ideen und Impulse, neue Sichtweisen, neues Wissen fließt ein und wird gemeinsam „eingewebt“ in vorhandenes Erfahrungswissen
- Über Freelancer lässt sich Fach- und Spezialistenwissen einkaufen (und ggf. als eigene Ressource aufbauen), das im Unternehmen nicht vorhanden ist
- Motivationsschwung in eingefahrenen Teams durch neuen Wind
- Netzwerkerweiterung für das Unternehmen
- Qualität. Ein bekannter Agenturchef sagt: „Die meisten, die wirklich gut sind, wollen lieber frei arbeiten. Anstellen lassen sich die wenigsten.“ (Das auch zum Contra-Punkt „Einklagen einer Festanstellung“)
- Sicherheit: Bei Freelancern „kaufen“ Unternehmen eine Person und ihre Kompetenz, bei Agenturen weiß man oft nicht, wer die Arbeit schlussendlich macht – der Praktikant?
- „New Work“: Zeitliche Flexibilität im globalen Business mit digitalen Nomaden
Die Nachteile, die wir im Meetup definiert haben
- Scheinselbstständigkeit und die daran hängenden Gefahren
- Hohe Straf- / Nachzahlungen von Renten
- Freelancer kann sich auf Festanstellung einklagen
- Die Einkaufsabteilung regelt den Zukauf von Dienstleistern und die wollen namhafte Dienstleister („Es ist noch keiner gefeuert worden, weil er IBM eingekauft hat)
- Freelancer stören den Teamzusammenhalt
- Freelancer sind unzuverlässig, haben ein schlechtes Zeitmanagement
- Freelancer sind Söldner und haben keinen Bezug zum Unternehmen
- Freelancer können nur oberflächlich arbeiten, da sie nur oberflächliches Wissen über das Unternehmen haben
- In Kernaufgaben wollen Unternehmen ihre Ressourcen selbst aufbauen. Wenn sie diese zukaufen, könnten diese Ressourcen wieder verloren gehen
- Freelancer sind weniger flexibel einsetzbar, da sie für einen bestimmten Job eingekauft wurden (O-Ton: „Die kann man nicht rumschubsen“)
- Kein „kannst-du-mal-eben“-Zugriff auf Ressourcen im Nachbarbüro
- Freelancer stehen nicht rund um die Uhr zur Verfügung, sie haben auch andere Kunden, manchmal auch längere Projekte. Die Zusammenarbeit muss geplant werden
- Im Unternehmen müssen Strukturen für die Koordination bewusst überlegt und aufgebaut werden. Teams müssen sich zusammenfinden und planen, was beauftragt werden soll, ein Briefing erarbeiten.
- Rechtliche Unklarheiten – Vertragswerk, Künstlersozialkasse und so weiter
- Vertrauensvorschuss – kann ich Informationen nach außen geben, was passiert damit?
Meine Vorschläge: Stellschrauben für eine ziel- und ergebnisorientierte Zusammenarbeit mit Freelancern der Kreativbranche *
- Scheinselbstständigkeit: Kampagnen wie z.B. hier (https://www.vgsd.de/kampagne-scheinselbststaendigkeit) fordern Klärung der unguten Situation. Unterstützen wir sie! Unternehmen und Selbständige können zudem mit klaren Regeln und Verträgen eine Scheinselbständigkeit fast immer ausschließen. So ist zumindest meine Achtung – Steuerberater und auch Rechtsanwälte beraten nicht immer richtig (Auch meine Erfahrung). Da ich keine Fachfrau bin, möchte ich hier keine Tipps geben, aber im Internet findet sich einiges und konkrete Fragen beantworte ich gerne.
- Einkauf von Dienstleistern dezentralisieren und über die Fachabteilungen anstoßen, die wissen genau, wen sie benötigen.
- Richtig suchen: Empfehlungen crossfunktional nutzen (Sie haben einen Grafiker – fragen Sie ihn nach einem guten Texter und umgekehrt)
- Damit Freelancer richtig gute Ergebnisse abliefern können, die alles andere als oberflächlich sind, hilft:
- Klarheit: Wissen, wen man sucht, Wissen, was man braucht: Briefing!
- Vertrauen und Nähe: Offenheit, Transparenz und ausführliche Information sind die Basis für gute Leistung. „Machen Sie einfach mal“ dagegen schafft bestenfalls Mittelmaß (nicht nur in der Zusammenarbeit mit Freelancern!)
- „Kreative brauchen Freiräume und Vertrauen. Unternehmen, die Kreativen starre Vorgaben machen und schon ganz genau wissen, was sie brauchen und wie das Ergebnis aussehen soll, suchen sich besser einen Abarbeiter oder nehmen das Ganze selbst in die Hand.“ (Den Satz habe ich bei Pr-Perlen.de abgeschrieben, weil ich ihn so schön fand)
- Zuständigkeiten intern klären – wer koordiniert, wer informiert, wer gibt frei und so weiter
- Generell zur Zusammenarbeit, dann klappt´s auch mit dem Team:
- Interaktion ist Emotion – Wenn es in der Zusammenarbeit hakt, liegt es selten an der Inkompetenz des anderen. Daher Unstimmigkeiten rechtzeitig klären!
- Kein Preisdumping mitmachen: Billig ist selten gut und fehlende Wertschätzung wird im Wert der abgelieferten Leistung ihre Entsprechung finden: Daher sind Fairness und Augenhöhe wichtig und dazu gehören bezahlte Pitches, faires Probearbeiten, Dienstleister nicht gegeneinander ausspielen und so weiter
- Nochmal Wertschätzung: Rechnungen pünktlich bezahlen
- Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten in der Zusammenarbeit genau klären (Schriftlich mit Werk- oder Dienstvertrag. Es gibt Standardverträge z.B. im Internet, die meisten Freelancer werden auf Nachfrage Vertragstexte vorschlagen können)
- Kostensicherheit durch Stundenbudgets oder Retainer schaffen
- Kommunikation: Technische und zeitliche Voraussetzungen schaffen (Telefonate, Meetings, Collaboration-Tools, Videokonferenzen …)
- Anbindung: Gute Freelancer sind gerne Teil eines Teams. Meetingteilnahmen und regelmäßige Anwesenheiten unterstützen das. Teilnahme an Firmenevents auch. (Achtung, Scheinselbstständigkeit. Aber möglich ist es)
- Einbindung: Haben Freelancer Kontakt zu Ihren Kunden? Dann schaffen Sie eine einheitliche Außendarstellung mit Emailadresse und Durchwahl. (Achtung – Scheinselbstständigkeit. Aber möglich ist es)
- Nett sein 🙂 – Auch Freelancer brauchen Anerkennung für ihre Arbeit oder mal ein „Wie geht es Dir?“