Ich möchte in der Vorweihnachtszeit einen Gedanken mit Euch teilen, der mich seit letzter Woche bewegt. Es geht um unser Verhältnis zur Stille. Schaut bitte zunächst einmal, was mir passiert ist:
Ich wollte letzte Woche einen Film ansehen, hatte mir extra den Nachmittag frei geschaufelt, denn der Film lief schon um 15.30 Uhr in einem Aachener Programmkino. „ZEIT für STILLE erforscht auf meditative Weise unsere Beziehung zu Stille, Geräuschen und dem Einfluss von Lärm auf unser Leben.“ So hieß es in der Vorschau von Mindjazz-Pictures und auch der Trailer machte Lust auf ein bisschen anderes Kino, abseits von den üblichen 3-D-Megaleinwandspektakeln.
Und etwas anders war das Kinoerlebnis in der Tat. Vorweg: Das Kino-Ensemble ist zugleich Nachtclub und Partyzone für die Aachener Studentenschaft, auch ich habe hier früher (sehr viel früher 🙂 ) gut und gerne gefeiert. Trotzdem konnte und kann man dort eigentlich gut Filme schauen, es gibt große, mittelgroße und kleinere Säle mit bequemen Sitzen, es gibt Getränke und Popcorn und es gibt sogar eine moderne Online-Buchungsplattform – alles prima, professionell und ich mag dieses Kino sehr – und immer noch.
Aber seit letzter Woche kenne ich auch KINO 4. Kino 4 ist der Partyraum, in dem einmal wöchentlich eine Party mit dem bezeichnenden Namen „RemmiDemmi“ gefeiert wird – und so roch es dort auch. Wer von euch schon mal gekellnert hat, kennt den Geruch einer Kneipe direkt nach dem Aufschließen, bevor man die Lichter anmacht und die Barhocker von der Theke nimmt. So also roch es, nach verschüttetem Bier und abgestandenem … – ach, man will es gar nicht wissen.
Dort in diesem kühlen, großen Partyraum standen 24 einsame Stühle, wie man sie aus billigen Konferenzhotels kennt, in 6 engen Reihen aufgebaut. Hinter der Bar summte die Bieranlage und diverse Kühlschränke dröhnten wetteifernd gegeneinander an. Kurz vor dem Film musste noch die Konfettikanone für „Remmidemmi“ montiert werden. Könnt Ihr verstehen, warum ich oben geschrieben habe, dass ich mir einen Film ansehen „wollte“? Ich habe es nicht getan, ich bin dann lieber spazieren gegangen, da hatte ich etwas „Zeit für Stille“.
Warum erzähle ich Euch das? Weil ich finde, dass dieses Erlebnis eine schöne Metapher dafür ist, wie wir alle uns heutzutage Zeit für Stille nehmen. Nämlich gar nicht. Die Stille ist in unserer Zeit abwesend, sie existiert nicht. Und wenn sie einmal versehentlich entstehen sollte, ist sie unangenehm, muss ganz schnell weggeklickt, weggeredet, weggedröhnt oder sofort verlassen werden.
• Die Stille dauert immer nur so lange wie der nächste Griff nach dem Smartphone.
• „Du bist so still heute“ – ist synonym für „Bist du nicht gut drauf?“
• Stille ist etwas, das im Sternenpark Eifel mittlerweile unter Naturschutz steht.
80 % der Bevölkerung schlafen schlecht – ihnen fehlt die Nachtruhe. Selbst in den eigenen vier Wänden herrscht dank der Straße vor dem Haus oder dem Fernseher im Wohnzimmer des Nachbarn so gut wie nie Stille.
Es scheint so, als hätten wir Angst vor der Stille.
„In der vollkommenen Stille hört man die ganze Welt“ – sagt Kurt Tucholsky.
Na, das kann einem aber auch Angst machen, findet Ihr nicht?
Stille ist wichtig
Dabei ist Stille (lebens-)wichtig für uns und für unsere Gesundheit. Wie wichtig, dass hat die Wissenschaft mittlerweile herausgefunden. In der Stille und nur dort können wir Ressourcen aufladen, Kreativität wachsen lassen, im wahrsten Sinne des Wortes zu uns finden. Stille lässt sogar das Gehirn wachsen – damit es seine Aufgaben wieder frisch und ausgeruht wahrnehmen kann.
Mein Geschenk an Euch für die Vorweihnachtszeit
Ich schenke Euch Stille – Ihr müsst sie Euch nur nehmen. Stille ist übrigens nicht nur die Abwesenheit von Geräuschen, sie ist auch Bewegungslosigkeit. Ein paar Beispiele, wie Ihr die Kraft der Stille für Euch entdecken könnt.
• Stellt euch morgens mit der Kaffee- oder Teetasse ans Fenster und schaut in die Dunkelheit.
• Setzt euch auf einen Stuhl – eine Minute nur und tut gar nix. (Macht dabei die Augen zu, wenn Ihr Euch traut.)
• Ladet euch eine Achtsamkeits-App auf Eurer Handy und wenn die Glocke bimmelt tut und sagt nur einen bewussten Atemzug lang – NICHTS.
Hört mal genau hin – jetzt – hört Ihr die Stille hinter all den Geräuschen?
Ich wünsche Euch zu Weihnachten eine Stille Nacht! Und Silvester, da dürft Ihr es krachen lassen 🙂