Ihr fragt Euch, warum sich mein erster Blog des Jahres 2018 ausgerechnet um Flutschbegriffe wie „Vertrauen“ und „New Work“ dreht? Nun, zunächst einmal, um mich bei Lars Vollmer für das wunderbare Wort „Flutschbegriff“ zu bedanken. Zum anderen, weil konsequentes Vertrauen bewirken könnte, dass uns der Begriff „New Work“ beim Anfassen nicht mehr aus der Hand flutscht. So entsteht eine einfache Formel:
Wenn Vertrauen und New Work zusammen kommen, wird es konkret.
Warum geht es nicht voran mit der neuen Arbeitswelt?
Wir reden über New Work und darüber, Organisationen neu zu erfinden. Wir starten Barcamps und spacige Projekte, engagieren vielleicht Berater, die kollaborative Software oder agile Prozesse implementieren sollen. Wir überlegen uns, wie eine neue Arbeitswelt räumlich aussehen könnte, schauen bei Google ab und richten sie schick ein. Wir installieren „Open Spaces“ und sind froh, selbst nicht im Großraumbüro sitzen zu müssen. Wir diskutieren viel und fragen uns, warum es mit der neuen Arbeitswelt doch nicht so vorangeht, wie es bei all diesen Bemühungen gehen sollte.
Ist es das veraltete Unternehmens-System, das die neue Art der Arbeit verhindert? Sind es Machtansprüche der Führung oder gewachsene Hierarchien? Oder ist es letztlich doch so, dass New Work mit Deinen Leuten einfach nicht möglich ist? Weil: Die wollen das gar nicht und begreifen es auch nicht?
Darf ich dich mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontieren? Wenn Du so denkst, bist Du es ganz alleine, der (oder die) New Work unmöglich macht. Indem Du Deinen Kolleginnen, Mitarbeitern, Deinem Geschäftsführungspartner und / oder Deiner Vorstandskollegin Verständnis, Willen, Mut und Können für New Work absprichst. Mit diesem Urteil entziehst Du Dir und ihnen die wesentliche Grundlage jeder Zusammenarbeit: Vertrauen.
Echt jetzt? Vertrauen als Allheilmittel würde man ja eher in der Paartherapie verorten. Das soll die Basis für eine neue Art der Arbeit und Zusammenarbeit sein? Aber Vertrauen hat doch nix mit Digital zu tun, nix mit Disruption, VUCA und Agile? Das ist doch total altmodisch und vertrauen kann doch jeder?
Ich behaupte, dass wir in dem Maße, in dem wir unser Hirn am Empfang abgeben auch das Vertrauen direkt dazu legen und damit verhindern, dass Innovation möglich wird. Vertrauen hat etwas damit zu tun
- fest an den Willen in jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin zu glauben, einen Beitrag leisten zu wollen. Wenn man sie lässt!
- Wissen nicht hierarchisch zu verteilen, sondern für alle verfügbar zu machen. Weil alle damit richtig und verantwortungsbewusst umgehen.
- wirklich zuzuhören und daran zu glauben, dass jemand, der oder die sich zu Wort meldet, auch etwas zu sagen hat.
Vertrauen ist keine Einbahnstraße
Nun ist die Verbindung von Vertrauen und New Work wahrlich nicht meine Erfindung – man liest und findet viel zu diesem Pärchen. Erstaunlicherweise meistens, dass Mitarbeiter in die Führung vertrauen müssen und die Kunden sowieso – die müssen den Produkten vertrauen.
Aber wo sind die, die uns erklären, dass Vertrauen keine Einbahnstraße ist? Ich muss als Führungskraft genau diese Führungs-Kraft anstrengen und in Vorlage gehen – ich muss meinen Mitarbeitern vertrauen. Am besten allen. Am besten immer. Ich sollte versuchen zu begreifen, dass sie hier sind, um ihr Bestes zu geben und dafür nur den notwendigen Rahmen benötigen. Und ich muss verstehen, dass dieser Rahmen für jeden einzelnen anders aussehen kann und ihm oder ihr daher die Möglichkeit einräumen, diesen Rahmen selbst zu gestalten und zu suchen.
Halt! Keine Revolution. Ich will es gar nicht so bahnbrechend gestalten, wie Frederic Laloux (Reinventing Organisations) es in einem seiner Beispiele erzählt. Er beschreibt ein Unternehmen, in dem neue Führungskräfte erst einmal durchs Haus laufen und sich den Platz suchen, an dem ihre Fähigkeiten und Kenntnisse am besten gebraucht werden. Kann man als Gedankenmodell im Hinterkopf halten.
Und in der Praxis? Wenn ich davon ausgehe, dass meine Mitarbeiter ihren Beitrag leisten wollen und nicht nur angetreten sind, monatlich mein Geld zu kassieren, dann muss ich sie fragen
- Wie dieser Beitrag aussehen kann
- Welche Rahmenbedingungen sie dazu benötigen
- Und was wir alle am Ende davon haben
Diese Fragen sollten die Mitarbeiter beantworten können – und sie werden es tun, wenn sie wissen und verstehen, dass Dich die Antworten wirklich interessieren.
Der natürliche Feind von New Work
Kontrolle – als Gegenentwurf zu Vertrauen – ist der natürliche Feind von New Work. Und vielleicht beginnst Du jetzt zu verstehen, warum die neue Arbeitswelt es so schwer hat. Überall wird kontrolliert. Und neben vielen nützlichen Controlling-Funktionen haben sich sicherlich auch viele Kontrollen eingeschlichen, die nur deswegen existieren, weil eines fehlt: Das Vertrauen in die Mitarbeiter, ihre Arbeit auch ohne Kontrolle vernünftig zu erledigen. Fast jedes „Stand-up“, Meeting, Mitarbeitergespräch … dient doch auch der Kontrolle, oder? Ein Beispiel:
Kürzlich hat mir ein „Betroffener“ die Geschichte des Anfangs vom Ende bei einem DER großen Computerhersteller (in der Nähe von Aachen) erzählt. Er hat als Student dort am Fließband gearbeitet und das hat er sehr gerne gemacht. Es gab gutes Geld aber vor allem herrschte ein toller Teamgeist. Und wenn mal wieder eine Charge für den großen Discounter mit dem A fällig war, dann half man sich gegenseitig aus. War ein Band fertig, wurden die anderen unterstützt. Und zwar völlig freiwillig, alleine aus der intrinsischen Motivation, die ein guter Teamgeist bietet.
Dann kam eine Umstrukturierung und mit ihr kamen Schicht-Aufseher und vorbei war es mit dem Spaß und dem Fleiß. „Du willst helfen? Dann stempele dich bitte aus.“ „Du hast noch Zeit – hier schau, ich gebe Dir was zu tun.“ Botschaft – Was, du Student willst hier alleine entscheiden, was du tust? Du hast wohl nicht alle Chips im Deck?
Tja, das war es dann mittelfristig – das Unternehmen ist schon lange Geschichte.
Mein Fazit aus dieser Geschichte und auch aus meinen Erfahrungen (nicht nur!) im Unternehmensumfeld: Vertrauen ist die Ur-Basis für Selbstdenken. Sobald Menschen merken, dass ihre Initiative, ihr Wissen und ihre Kreativität nicht gebraucht werden, geben sie ihr Hirn sehr gerne ab und leisten Dienst nach Vorschrift.
Ich glaube, wenn wir in uns gehen, werden wir viele Beispiele finden, in denen wir selbst uns sehr schwer tun mit diesem Urvertrauen, das ich hier so großspurig verlange. Auch ich scheitere daran, ganz oft, denn ich bin ein Kontrollfreak! Aber ich finde das Scheitern an einer großen Idee immer noch besser als die Alternative: Alles bleibt so, wie es ist.
Was meint Ihr?