Gestern bekam ich eine Mail von meinem Buchverlag, in der ich um die Freigabe einer Änderung gebeten wurde. Wörtlich stand dort:

„Kontrolliere das bitte oder ändere es noch entsprechend ab. Reiche dann gern wieder ein! Feuer frei!“

Das ist auf den ersten Blick eine fluffige Formulierung, die zum jugendlichen Duz-Stil des Verlags passt. Auf den zweiten Blick und vor allem unter Berücksichtigung meines Bauchgefühls, meiner Intuition, wurde mir klar, das ich hier in einen Kampf gezogen werde, den ich nicht führen will. Ich eröffne mit meinem Buch das Feuer… auf wen, meine Leser:innen, den Buchmarkt? Danke, nein, das möchte ich nicht.

Sprache ist mächtig – das haben Johanna und ich ja schon im Beitrag „Kraft der Worte“ geschrieben. Es gibt Forscher:innen, die bestätigen, dass Worte Stress erzeugen, seelisch verletzen können und uns in unserer Leistung und Energie schmälern, unabhängig davon, ob wir sie aussprechen oder hören. In einem Artikel in der SZ-Online erklärt die Philosophieprofessorin Sybille Krämer die körperlichen Konsequenzen der Sprache, die wie ein „linguistisches Messer“ wirke. Nach zum Beispiel einer Beleidigung werden Menschen rot, fangen an zu schwitzen und der Adrenalinspiegel steigt.

Gerade weil der Krieg in der Ukraine unsere Aufmerksamkeit täglich fordert und sich in eine unendliche und unerträgliche Reihe von Kriegen einreiht, die weltweit um Ressourcen und geostrategischen Einfluss geführt werden, können wir uns fragen: Wollen wir mit unserer Sprache zum Krieg beitragen? Oder zum Frieden?

Wir könnten beginnen zu beobachten, wie oft wir täglich Worte wie „Kampf“oder „kämpfen“ benutzen und überlegen, was es mit uns macht, wenn wir gegen oder mit oder sogar auch für etwas kämpfen. Ist es sinnvoll, gegen zum Beispiel eine Erkältung zu kämpfen? Was macht das mit mir, wenn ich Kraft gegen etwas oder jemanden aufwende – wie würde es sich anfühlen, wenn ich den Widerstand aufgebe, wenn ich loslasse? Was würde passieren, wenn die Friedensbewegung nicht mehr für den Frieden kämpft (sic!)?

Ich glaube, dass Krieg und Kampf sich in weite Teile unseres Alltags eingeschlichen haben, zum normalen Lebens- oder Überlebensstil geworden sind. Wir gewinnen die Schlacht am Buffet, kämpfen um den besten Posten im Job, führen einen ermüdenden Kleinkrieg mit den Nachbarn um die Höhe der Hecke und der Krieg dringt sogar bis in die Partnerschaft – wo wir ständig mit Widerständen zu kämpfen haben, weil Erwartungen nicht erfüllt werden.

Unsere täglichen Kampfszenarien, die wir wohlgemerkt selbst inszenieren und ausfechten, werden ganz deutlich erkennbar, wenn wir beginnen uns zu beobachten, oder? Wir könnten es ändern. Weniger deutlich und teilweise kurios ist eine Liste von Redewendungen oder Worten, die aus dem militärischen Begriffsraum stammen und die wir oftmals unbedacht nutzen.

Recht offensichtlich und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Grabenkampf

Etappe

Dicke Luft

Trommelfeuer

Materialschlacht

Wummern

Burgfrieden

Sich am Riemen reißen

In vorderster Front kämpfen

Die Reihen schließen

Aufrücken

Kampf gegen den Terror

Mit den Waffen der Frau

… und so weiter

Weniger offensichtlich (zumindest für mich überraschend)

08/15 (Bezeichnet eine Waffengattung)

Trenchcoat (ursprünglich der „Graben-Mantel“)

Verfranzen („Franz“ war im zweiten Weltkrieg die Bezeichnung für den Co-Piloten, der die Navigation vorgeben sollte)

Ich hoffe, ich habe Eure Aufmerksamkeit ein bisschen wecken können und vielleicht habt Ihr Lust, durch Eure Wortwahl ein kleines Stück mehr Frieden auf der Welt zu schaffen? Wir können es alle von Herzen gebrauchen. Ihr glaubt, das macht keinen Unterschied? Ich finde schon: Mit unserer Sprache, mit unseren Worten, manifestieren wir Gedanken und leiten Handlungen ein. Soll unser Handeln und Schreiben dem Krieg oder dem Frieden dienen, was meint Ihr?