Im Wir-Raum, den meine Teilnehmerinnen und ich schreibend entdecken, ging es letzte Woche um Bücher, die uns zum Fühlen einladen. Ich hatte aus einem meiner Favoriten vorgelesen und damit einen reizvollen Austausch eröffnet. Achtsames Schreiben, achtsames Lesen und/oder achtsam Geschriebenes lesen – darum ging es. Und es ging um Autor:innen, die aus einem Moment ein ganzes Buch kreieren. Um Geschichten, die Düfte sichtbar machen und Farben zum Klingen bringen. Schreibende, die sich fein und spürend in eine Situation begeben, öffnen für uns das Wunder des (Er-)Lebens und können uns das Geschenk des Mitfühlens machen.
Unser Austausch hat mich zu einer Liste inspiriert und so findet Ihr im Folgenden meine augenblickliche, persönliche Top-10 der Fühl-Bücher, manche schon etwas älter, manche ganz aktuell. Aber was erzähle ich – schaut selbst:
Geflochtenes Süßgras von Robin Wall Kimmerer
Mein Buch des Jahres 2022! Robin flicht aus indigener Weisheit und wissenschaftlichen Erkenntnisse einen Zopf an Geschichten über die Großzügigkeit der Erde. Klappenreferenz von Jane Goodall: „Es ist die Art und Weise, wie sie Schönheit einfängt, die ich am meisten liebe, die Bilder von riesigen Zedern und wilden Erdbeeren, ein Wald im Regen und eine Wiese aus duftendem Süßgras werden Ihnen in Erinnerung bleiben, lange nachdem Sie die letzte Seite gelesen haben.“
Die große Liebe von Hanns-Josef Ortheil
Alle Bücher von Ortheil sind Fühl-Bücher – er ist für mich der Meister dieses Genre. Auch toll: „Das Kind, das nicht fragte“. Ortheil schreibt auch viel über das Schreiben – ich habe „Der Stift und das Papier“ gelesen, in dem er liebevoll und autobiografisch erzählt, wie sein Vater ihn, das stumme Kind, über das Schreiben ans Sprechen führen wollte – mit bekanntem Ausgang.
Was man von hier aus sehen kann von Marianna Leky
Marianna ist Literaturstudentin bei Ortheil gewesen – das merkt man. Oder besser – ich merke es, was „man“ so tut, weiß ich ja nicht. 😊 Das Buch erzählt (Klappentext) von der „unbedingten Anwesenheitspflicht im eigenen Leben.“ Vor allem erzählt es von Menschen, die alle auf ihre ganz eigene Art mit der Liebe umgehen.
Der Duft von Schokolade von Ewald Arenz
Ewald Arenz habe ich diesen Sommer für mich neu entdeckt – erstaunlich eigentlich, dass dieser wunderbare Schreiber bisher nie auf der Armlehne meines Sofas gelandet war. (In Buchform, versteht sich – wobei ich ihn auch als Mensch auf mein Sofa einladen würde. 😊) Seine Bücher malen Geschichten und sprechen alle Sinne an – sie verzaubern. Gerade lese ich „Der Teezauberer“ – auch fantastisch. Das ganz neue „Die Liebe an miesen Tagen“ habe ich bisher kurz angelesen und auf meinen Wunschzettel geschrieben.
Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel
Es ist schon länger her, seit ich dieses Buch gelesen habe. Mir blieb in Erinnerung, dass mich die intensive Art, in der Martel die Gemeinschaft von Mann und Tiger in einem winzigen Boot auf einem riesigen Ozean schildert, begeistert hat. Ich dachte – wenn´s mir so lange in Erinnerung bleibt, darf es mit auf diese Liste.
Der Gesang der Flusskrebse von Delia Owens
Schon wenn ich den Titel hier aufschreibe, bin ich wieder in der dichten Atmosphäre dieses Bestsellers gefangen. Es ist eine intensive Geschichte von Einsamkeit und Gemeinschaft, von der Natur und der Liebe – von Vertrauen und dem Bruch desselben. Und davon, was Menschen sich antun können – im Guten wie im Schlechten.
Schwimmen mit Elefanten von Yoko Ogawa
Hinreißend skurril und fantastisch – liebevoll erzählt. Klappentext: Ein Elefant, der auf dem Dach eines Kaufhauses lebt, weil er nicht mehr in den Aufzug passt. Und ein Junge, der daraufhin beschließt, nicht mehr zu wachsen …
Der Mitternachtspalast von Carlos Ruis Zafón
Den „Mitternachtspalast“ habe ich als Empfehlung ausgewählt, weil er mir als erstes Buch von Zafón im Bücherregal entgegenkam. Zafóns Bücher – zumindest alle, die ich gelesen habe – sind sehr dicht, teilweise bedrängend und sogar beängstigend in ihrer Atmosphäre. Brilliant gesehen und formuliert – fantastisch und fantasievoll. Sie lassen dich ratlos zurück und müssen doch immer wieder gelesen werden.
Der Ozean am Ende der Straße von Neil Gaiman
Ein Ententeich kann auch ein Ozean sein – es kommt auf uns an, auf das, was wir sehen (wollen). Klappentext: Weise, wundersam und hochpoetisch erzählt Gaiman in diesem Roman von der übergroßen Macht von Freundschaft und Vertrauen in einer Welt, in der nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Das Gewicht der Worte von Pascal Mercier
Pascal Mercier, mit bürgerlichem Namen Peter Bieri, ist vor kurzem verstorben. Viele von euch werden sein bekanntestes Buch „Nachtzug nach Lissabon“ kennen. Mir hat es „Das Gewicht der Worte“ ganz besonders angetan und ich habe es oft weiterempfohlen und verschenkt. Die Erzählung über den Zufall, das sogenannte Schicksal und verschlungene Lebenswege hat mich in den Bann gezogen und außerdem geht es um die Bedeutung von Sprache und Literatur – das gefällt mir als Schreibende natürlich.
Nummer 11 – mein Bonustrack: Wenn wir wieder Wahrnehmen von Heike Pourian
Außerhalb der Belletristik ist dieses Buch für mich das Werk über Fühlen schlechthin. Heike hat ein Wunderwerk geschafften, in dem sie das Fühlen als politische Kraft darstellt. Sie lädt uns ein, den Krisen unserer Zeit wach und spürend zu begegnen und sie macht das so wundervoll und authentisch, zeigt so viel von sich und ihrem spürenden, fragenden Erkunden der Wahrheit – Heike ist für mich eine der wichtigsten Leaderinnen unserer Zeit. Da das Buch im Selbstverlag, ohne Festpreis und unter Creative-Common-Licence erschienen ist, erlaube ich mir, hier den Link anzugeben: www.wahrnehmen.org
Selbst schreiben – noch besser
Und falls du jetzt Lust bekommen hast, deine eigene Buchidee aus der Schublade und das eigene Licht unterm Scheffel hervorzuholen, dann schau doch mal, ob dieser intensive Autor:innentag am Samstag, 2. September, etwas für dich sein könnte. Ein ganzer Tag in Gemeinschaft rund um unsere Buchprojekte – den Luxus gönnen wir uns. Oder?
Bücher kaufen, das ist sehr einfach… wirklich?
Alle hier vorgestellten Bücher erhaltet Ihr natürlich auf den gewohnten Wegen, im nächstgelegenen Buchladen oder online. Das „man“ nicht unbedingt bei Amazon bestellen muss, wisst ihr sicherlich und kennt auch die Alternativen. Das Portal „buch7“ ist für mich eine Möglichkeit, da sie einen kleinen Teil ihres Verdienstes an soziale Projekte spenden. Eine weitere Idee könnte das Portal www.autorenwelt.de sein. Dort möchte man Autor:innen ein bisschen mehr Ertrag sichern. Wusstet Ihr, dass vom Nettoerlös eines Buchs bei den Schreibenden im Normalfall zwischen 7 und maximal 10 Prozent ankommen? Und das wird nicht mehr werden, da die Verlage aktuell Druckkosten tragen müssen, die sich teilweise verdreifacht haben. Den größten Batzen vom Erlös stecken Amazon (bis zu 50 Prozent, habe ich mir sagen lassen!) oder der Großhandel (bei uns in Deutschland zumeist „Libri“ mit circa 30 Prozent) ein. Den Rest teilen sich dann Verlag, (Online-)Buchhandel und Autorin. Seit ich das weiß, bestelle ich Bücher, die aus kleinen oder kleinsten Verlagen kommen, wenn möglich direkt dort und Bücher im Eigenverlag vielleicht sogar beim Autor. Falls ich Lust habe mich gut beraten zu lassen und etwas Neues zu entdecken, dann gehe ich so oft wie möglich in den Buchladen. Und wenn ich mal sparen möchte, dann schaue ich auch, ob´s das Buch vielleicht gebraucht zu bestellen gibt. Ihr macht das sicherlich ganz anders, weil Ihr andere Prioritäten habt. Und – wie immer – ist es ganz wunderbar, dass wir so verschieden sind.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Portal newslichter. Dort findet Ihr unter dem Beitrag auch einige Kommentare von Leser:innen, die ihre Fühl-Bücher empfehlen: https://www.newslichter.de/2023/07/buecher-fuehlen-eine-top-10-liste/#comments